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Informelle Netzwerke werden immer wichtiger

Dr. Heike Piehler

Das Bürgerprojekt DIE KUGEL ist vor allem eines: ein vitales offenes Netzwerk. Die Mitwirkenden im AK Gaskugel sind Kundschafter, Botschafter, Netzwerker und Brückenbauer, ohne formelles Korsett. Der Think Tank ist ein offenes Beratungsgremium von Fachleuten verschiedener Disziplinen. Der Kreis der Patinnen und Paten ist eine wertvolle Unterstützung, ebenfalls ohne formelle Strukturen. Und schließlich ist die Stiftung BauKulturerbe als gemeinnützige GmbH und juristische Person äußerst schlank. Eine aktuelle Studie von ZiviZ (Zivilgesellschaft in Zahlen) im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V. zeigt, dass ein solches informelles Engagement zunehmend zur neuen Normalität wird:


Zivilgesellschaftliches Engagement wandelt sich


Neudenken des zivilgesellschaftlichen Engagements: Die Studie "Engagement im Wandel" und das Diskussionspapier "Informelles Engagement: Die neue Normalität?" zeigen Wege für die Zukunft auf. Zivilgesellschaftliches Engagement wird immer vielfältiger. Es wird im Verein genauso wie von Einzelpersonen oder auch Sozialunternehmen geleistet. Eine neue Definition des Begriffes "Zivilgesellschaft" soll Förderorganisationen ermutigen, auch dieses Engagement zu unterstützen.


Die Vielfalt der Organisationsstrukturen zivilgesellschaftlichen Engagements nimmt zu. Neben Vereinen oder Verbänden werden zunehmend informelle Zusammenschlüsse in Form von Protestbewegungen, Nachbarschaftsinitiativen oder digitalen Netzwerken sichtbar. Das macht ein Umdenken in der Förderung und Anerkennung ehrenamtlichen Engagements notwendig. ZiviZ im Stifterverband hat dazu in seiner Studie "Engagement im Wandel" drei Vorschläge erarbeitet und begründet, weshalb das Verständnis von Zivilgesellschaft sich an die neuen Engagementformen anpassen muss.


Die drei Hauptempfehlungen sind:


  1. Erweiterung des Verständnisses von Zivilgesellschaft: Eine Neudefinition von förderfähigem Engagement ist erforderlich. Sie muss jene Akteurinnen und Akteure einschließen, die (1) Angebote in die öffentliche Diskussion einbringen und/oder Lösungsideen erproben oder skalieren, mit denen Herausforderungen der Gesellschaft besser bewältigt werden können und (2) weder in Gänze dem staatlichen, dem wirtschaftlichen noch dem familiären Sektor zugeordnet werden können. Akteurinnen und Akteure sind (3) hingegen nicht zivil(gesellschaftlich) und förderlegitim, wenn diese (ob in einer Gruppe oder als Individuum) sich zwar innerhalb einer geschlossenen Gruppe zivil verhalten, allerdings nicht gegenüber Akteurinnen und Akteuren, die außerhalb dieser Homogenität stehen.

  2. Anpassung der Förderkriterien: Unter Verwendung der fünf Kernkriterien der Enquetekommission zur Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements – Freiwilligkeit, Gemeinnützigkeit, Öffentlichkeit, Gemeinschaftlichkeit und Nicht-Gewinnorientierung – ist es notwendig, dass Förderer ihre Förderkriterien überdenken und an die neuen Realitäten des zivilgesellschaftlichen Engagements anpassen.

  3. Neubewertung des gemeinnützigen Status: Darüber hinaus sollte die Bedeutung des Status der Gemeinnützigkeit der antragstellenden Organisationen neu bewertet und gegebenenfalls der Fokus von der rechtlichen Form als Förderbedingung auf die Zielsetzung und den Inhalt des Engagements verlagert werden.

Das die Studie begleitende Diskussionspapier "Informelles Engagement: Die neue Normalität?" analysiert den organisationalen Rahmen von Engagement. Es beleuchtet detailliert die zunehmende Vielfalt von Engagementorten – von klassischen Vereinen bis hin zu informellen Gruppierungen und Sozialunternehmen. Die Analyse zeigt deutlich, dass sich in den letzten 20 Jahren die Zahl der in informellen Strukturen Engagierten verdoppelt hat. Der Autor kommt zu dem Schluss, dass informelles Engagement als gleichwertige Form der zivilgesellschaftlichen Partizipation anzuerkennen ist. Fazit:


  • Politik: Die Projektergebnisse unterstreichen die Bedeutung politischen Rückhalts für zivilgesellschaftliches Engagement und fordern neue Modelle zur Förderung von Engagement in sowohl formalen als auch informellen Strukturen.

  • Engagementfördernde Organisationen: Die Bedeutung eines partnerschaftlichen Austauschs und die Anerkennung aller Engagementformen sind essenziell für den Erfolg zivilgesellschaftlichen Wirkens und der Weiterentwicklung der Engagementpraxis.

  • Wissenschaft: Neue Beschreibungsmodelle sind notwendig, um die Realität des Engagements jenseits traditioneller sektoraler Grenzen zu erfassen. Informelles Engagement verdient volle Anerkennung als gleichwertige Form der Partizipation.


"Wie sich unsere Gesellschaft wandelt, so verändert sich auch das zivilgesellschaftliche Engagement. Es zeichnet sich durch seine wachsende Pluralität und Dynamik besonders aus. Unsere Ergebnisse laden alle Beteiligten ein, über traditionelle Grenzen hinaus zu denken und gemeinsam Wege zu finden, um das zivilgesellschaftliche Engagement in dieser Vielfalt und Dynamik zu fördern und zu unterstützen", sagt Birthe Tahmaz, Leiterin von ZiviZ im Stifterverband.


Quelle: Pressemitteilung ZiviZ / Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V., April 2024.

Weitere Infos und Download:

Kühn, I.; Kuhn, D.; Tahmaz, B. (2023). Engagement im Wandel. Wie sich Formen und Orte der Zivilgesellschaft verändern – Empfehlungen für neue Förderstrategien. ZiviZ im Stifterverband, Berlin.

Schubert, P. (2023): Informelles Engagement: Die neue Normalität? Eine Analyse des organisationalen Rahmens von freiwilligem Engagement. ZiviZ im Stifterverband, Essen.


Bild: Panoramabild der Zivilgesellschaft: Die verschwimmenden Grenzen des freiwilligen Engagements. In: Kühn, I.; Kuhn, D.; Tahmaz, B. (2023): Engagement im Wandel. ZiviZ im Stifterverband, Berlin, S. 18. © Illustration: kommaKLAR| agentur für gestaltung.


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